Projekte 2015: Ebola


Während unseres Arbeitseinsatzes im Frühjahr 2014 gab es die ersten Ebola-Fälle in Guinea.
Am 28. September 2014 erhielten wir den Anruf aus Guinea, dass die Ebola-Epidemie in der Region unseres Hilfsprojekts angekommen sei, und zwar in der Stadt Dalaba mit 7000 Einwohnern.


Zum besseren Verständnis eine kurze Information über die Struktur des Landes: Guinea ist in acht Regionen gegliedert. Unser Projekt liegt in der Region Mamou. Die Region Mamou ist unterteilt in drei Präfekturen, nämlich Dalaba, Mamou und Pita. Eine Präfektur ist wiederum unterteilt in  Unterpräfekturen. Unser Projekt liegt in der Präfektur Dalaba. Die Präfektur Dalaba ist untergliedert in zehn Unterpräfekturen, eine davon ist Bodié. Die Präfektur Dalaba hat eine Fläche von 3400 km².
Es wohnen in dieser Region 154.000 Menschen.
Ebola wurde in Dalaba wahrscheinlich von einem Kolanuss-Händler aus Sierra Leone eingeschleppt.
Es gab in Dalaba 6 Tote zu beklagen.
Vor geraumer Zeit hatte sich unabhängig von der Ebola-Epidemie eine Jugendgruppe in Dow-Bodié und Bodié gebildet, die sich in ihrer Freizeit vornehmlich sozial engagiert.
Als die Jugendlichen von den ersten Ebola-Erkrankungen in Dalaba hörten, sammelten sie umgerechnet 2000 €, fuhren nach Dalaba und sprachen dort mit den Verantwortlichen, was in dieser Krisensituation zu tun wäre, da mit einer Hilfe von außen nicht so schnell zu rechnen war.
Die Jugendlichen konnten durch ihre Privatinitiative viele Menschen, insbesondere Händler, in Dalaba überzeugen und dort umgerechnet insgesamt 17.000 € sammeln, eine unvorstellbare Summe, wenn man zum Beispiel bedenkt, dass ein Lehrergehalt im Monat etwa 50 € beträgt.
Die Jugendlichen  nahmen Kontakt auf mit Ehemaligen aus Bodié und Dow-Bodié, die in der Hauptstadt Conakry studiert haben und dort arbeiten. Es handelt sich dabei in erster Linie um Ärzte und Soziologen. All diese Menschen hatten sich mit Verantwortlichen von Dalaba getroffen und einen sogenannten “Krisenstab“ gebildet. Diesem “Krisenstab“ gehörte auch Dr. Yango Keita, unser Vertreter in Guinea, an. Dr. Keita wurde dringend um die  Hilfe unserer Nichtregierungsorganisation gebeten.
Zwischenzeitlich wurde in Dalaba eine Isolierstation eingerichtet, und zwar abseits des Krankenhauses.
Dort blieben die Ebola-Patienten, bis sie in einem Spezialkrankenwagen zur weiteren Behandlung in die Hauptstadt gefahren wurden. In Conakry wurden sie von Mitarbeitern der WHO oder aber “Ärzte ohne Grenzen“ in einer größeren Isolierstation behandelt.
Was die 300 km lange Fahrt für die schwerkranken Patienten bedeutete, können wir gut nachempfinden. Schon für uns ist die Fahrt von Conakry nach Dow-Bodié immer eine Reise der besonderen Art bei mehr oder weniger katastrophalen Straßenverhältnissen.
Die Mitglieder des “Krisenstabes“ kümmerten sich vornehmlich um Vorsorgemaßnahmen. Die gesamte Bevölkerung der Präfektur Dalaba wurde über die Krankheit gründlich informiert.
Die Mitglieder der Initiative wurden entsprechend von Mitarbeitern der WHO in der Hauptstadt geschult. Dieses Wissen wurde in der Art eines Schneeballsystems weitergegeben.
Die Bevölkerung wurde sachlich aufgeklärt, gleichzeitig wurde Material zur Verfügung gestellt, das die Verbreitung der Krankheit stoppen sollte. Alle Gesundheitszentren wurden mit Seife, Handschuhen, Mundschutz und Desinfektionsmitteln versorgt, Schulen und öffentliche Einrichtungen mit Seife und Desinfektionsmitteln.
Das Verstehen der Infektionswege gilt insbesondere auch für das medizinische Personal. Viele Todesopfer der Krankheit waren Mitglieder des Gesundheitswesens: Ärztinnen, Ärzte, Krankenschwestern, Krankenpfleger, Hebammen usw.
Die Initiative ist aus der Mitte der Bevölkerung entstanden. Das war uns sehr wichtig. Deshalb wollten wir diese Initiative unbedingt unterstützen. Andere Vorgehensweisen waren in der Vergangenheit nicht unbedingt Erfolg versprechend. Hierzu ein Beispiel: Es sollten Dorfbewohner im Süden des Landes von einer Delegation aus Politikern, Ärzten und Journalisten über die Krankheit informiert werden. Da die Delegation von Soldaten begleitet wurde, fühlten sich die Menschen des Dorfes derart bedroht, dass einige die Delegation angriffen. Es gab 8 Tote.

Als Soforthilfe wurden von unserem Verein zunächst 20.000 € nach Guinea überwiesen.

Unser Verein hatte geplant, während der Trockenzeit 2014/15 insgesamt drei Arbeitseinsätze durchzuführen. Alle Einsätze wurden abgesagt. Wir teilten hier die Meinung einer Hilfsorganisation aus Frankfurt, die ebenfalls in Guinea tätig ist, dass, wenn wir vor Ort tätig würden, es zu einer Wanderbewegung käme und Ebola-Patienten aus dem Süden des Landes oder aber auch aus den Nachbarländern Liberia und Sierra Leone zu uns nach Dow-Bodié kämen. So würde unsere Anwesenheit eventuell Ebola ins Dorf bringen. Was dies für die Zukunft unseres Projektes  bedeuten könnte, wäre nicht abzusehen.
Während der Aktionen wurden wir regelmäßig von Dr. Yango Keita über die Ebola-Epidemie in Guinea informiert. Die Aktivitäten unserer Organisation wurden im Land positiv aufgenommen. Desinfektionsbehälter mit dem „Logo“ des Vereins waren in jedem Ort der Region zu finden und erinnerten an das Engagement der Deutschen Hilfsorganisation.
Die Bevölkerung der Präfektur Dalaba wurde systematisch über die Krankheit informiert. Man fuhr von Dorf zu Dorf und ging von Haus zu Haus, von Rundhütte zu Rundhütte, um die Menschen über die schwere Krankheit aufzuklären. Es gab keine weiteren Erkrankungen in der Präfektur Dalaba.
Die Fahrten fanden unter schwierigen Bedingungen statt, auch die abgelegenen Dörfer mussten erreicht werden.
Der Erfolg der Informationskampagne ermutigte die Beteiligten, die Aktion auf andere Gebiete des Landes auszuweiten. Im Stadtteil Ratoma der Hauptstadt Conakry lief eine Aktion. Es konnten vom Ehepaar Keita angesehene Frauen des Stadtteils gewonnen werden. Diese gingen von Haus zu Haus, klärten über die Krankheit in den einheimischen Sprachen Malinke, Pular, Sussu und Diakankè auf, sprachen insbesondere über Hygiene, verteilten Seife. In diesem Stadtteil leben über 650.000 Menschen.
Unterstützt wurde unsere Hilfe durch die französische Organisation ACAUPED (Association pour la Coordination d’Action Utiles aux Pays en Developpement), die die Multiplikatoren mit ausbildete.
Die Schulungsmaßnahmen wurden von unserem Verein finanziert, ebenso wurden die Kosten für das benötigte Material getragen. Die Helfer kümmerten sich auch um die Reintegration der Überlebenden und die Familien der Betroffenen. Überlebende wurden oft wie Aussätzige behandelt.

Während der Ebola-Aktion 2014/15 sind über 100.000,00 € auf dem Spendenkonto unseres Vereins verbucht worden.
Die Aufklärung der Bevölkerung stand im Kampf gegen Ebola an erster Stelle.
Die gesamte Region Mamou mit den Präfekturen Dalaba, Pita und Mamou war anschließend frei von Ebola. In dieser Gegend leben 650.000 Menschen. Dort fand die Aufklärungsaktion unserer Organisation statt, und zwar unter der Leitung von Dr. Yango Keita. Ein großer Erfolg! Der Erfolg der Aufklärung war der Glaubwürdigkeit der Aufklärer zu verdanken.
Alles, was von offizieller Seite getan wurde, betrachtete die Bevölkerung mit großen Vorbehalten, sodass die Nichtregierungsorganisationen oft mehr Gehör bei der Bevölkerung fanden als die offiziellen Vertreter.
Das größte Problem war der Umgang mit den Kranken und mit den Toten. Viele wollten es sich nicht nehmen lassen, ihre toten Angehörigen nach herkömmlichen Riten zu waschen und zu bestatten.
Auf diese Weise haben sich zum Beispiel Verwandte eines Ministers mit dem Ebola-Virus infiziert, 6 Menschen starben.
Ein Mann aus Guinea hatte seinen Bruder in Liberia beerdigt. Er wollte anderen Menschen etwas Gutes tun und brachte die Kleider des Verstorbenen mit nach Guinea und verteilte sie an Bedürftige in der Verwandtschaft. Der Mann starb und alle, die ein Kleidungsstück bekommen hatten.
Bei der Beerdigung eines anderen Verstorbenen haben sich alle jungen Männer infiziert, die den Verstorbenen ins Grab gelegt haben, alle sind gestorben. Man könnte die Liste so weiterführen.
Die Aufklärung war auch deshalb so schwierig, weil die meisten, auch junge Leute, Analphabeten sind.
Dann gibt es die unterschiedlichsten Krankheitstheorien. Nicht das Ebola-Virus macht die Menschen krank, sondern Geister, die von bösen Menschen oder gar von der Regierung geschickt wurden.
Die erfolgreiche Arbeit unserer einheimischen Mitarbeiter, die erst durch die finanzielle Unterstützung aus Deutschland möglich wurde, fand im Land große Beachtung und war Thema in den überregionalen Radio- und Fernsehnachrichten.
Wie sich denken lässt, waren wir sehr erfreut über die erfolgreiche Arbeit unserer einheimischen Helfer und der Repräsentanten unseres Vereins vor Ort in Guinea.
Mit der Frau des deutschen Botschafters, Frau Petra Canisius-Krausser, und einer örtlichen Frauenorganisation aus Koloma, einem Stadtteil von Conakry, lief im Mai 2015 eine Kampagne unter dem Motto: “Ebola ist noch Realität“. Von den traurigen Erzählungen der Ebola-Patienten, die überlebt hatten, sowie der Hinterbliebenen von an Ebola Verstorbenen waren die Organisatoren sehr berührt. Die letzten Ebola-Erkrankungen gab es im März 2016.

Fotos: schlechte Wege während der Regenzeit. Das Aufklärungsteam um Dr. Keita. Aufklärungsversammlungen. Desinfektionsbehälter  neben einem Marktstand, vor einer Rundhütte.
Verteilung von Desinfektionsbehälter und Seife. Fraueninitiative in Ratoma, einem Stadtteil von Conakry.